Wie funktioniert Fallschirmspringen?

WIKI - Abhandlung zum Fallschirmspringen

Unser WIKI rund um das Fallschirmspringen, dem Fallschirmsprung oder Tandemsprung behandelt alle wesentlichen Punkte zu unserem Sport und der Technischen Ausrüstung aus allen Blickwinkeln.

Wie funktioniert Skydiving?

TAKE OFF Fallschirmsport GmbH / Stand 01-2021

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1. Allgemeines

Fallschirmspringen[1] ist eine Betätigung, bei der zum Zweck einer Sportausübung bewusst aus Luftfahrzeugen oder von festen Objekten gesprungen wird. Aufgrund der entstehenden Geschwindigkeiten muss zum Landen ein Fallschirm benutzt werden.

[1] Anm.: Alle Abbildungen dieser Abhandlung sind reine Beispielbilder, z.T. vom Autor erstellt.

2. Fallen

Im erdnahen Raum wird alles von der Schwerkraft angezogen. Verlässt hierbei ein Mensch eine feste Ebene, wie bspw. ein fliegendes Flugzeug, so fällt er nach unten.

2.1. Freier Fall

Fallschirmspringer fallen losgelöst und somit frei von einer festen Verbindung in Richtung Boden. Deshalb wird die Begrifflichkeit des „freien Falls“ sinngemäß angewendet, während man im Bezug dazu von Fallbeschleunigung, Fallzeit und Fallverhalten sprechen kann. Auch die Worte Freifall, Fallschirm und Fallschirmspringen leiten sich davon ab.

2.2. Fallgeschwindigkeit

Sofort nach dem Absprung beginnt im Fallen der Luftwiderstand der Atmosphäre zu wirken. Die Beschleunigungsphase und Endgeschwindigkeit eines fallenden Körpers sind somit abhängig von dessen Gewicht, Größe, Form und Oberfläche. Aber auch die Höhe über dem Meeresspiegel, sprich Luftdichte sowie Lufttemperatur, spielen eine Rolle.

Ist ein Fallschirmspringer bspw. ein leichter Mensch, so ist dessen Endgeschwindigkeit unter gleichen Bedingungen geringer, als die eines schwereren Menschen mit bspw. derselben Körpergröße.

Oder derselbe Mensch fällt mit derselben Haltung in unterschiedlicher Bekleidung in unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Oder beim gleichen Menschen mit derselben Ausrüstung erzeugt eine veränderte Körperlage einen Unterschied.

Somit ist die effektive Beschleunigungs- und Fallgeschwindigkeit eines Individuums nicht auf einen fixen Wert festlegbar, sondern ergibt sich aus der natürlichen Balance aller Parameter.

Grobe Daumenregel-Werte sind hierbei:

  • eine horizontale Bauchlage beschleunigt etwa 10 sec, Endgeschwindigkeit ist ca. 180 km/h bzw. um die 50 m/sec
01-Freifall-Bauchlage
  • eine leicht kopflastige Bauchlage mit pfeilartig angelegten Armen
    und gestreckten Beinen beschleunigt etwa 8-10 sec, Endgeschwindigkeit ist ca. 165 km/h bzw. um die 45 m/sec
02-Freifall-Bauchlage-pfeilartig
  • eine horizontale Rückenlage beschleunigt etwa 10 sec, Endgeschwindigkeit ist ca. 200 km/h bzw. um die 55 m/sec
03-Freifall-Rückenlage
  • eine sitzende Körperlage beschleunigt 10-12 sec, Endgeschwindigkeit ist ca. 220-240 km/h bzw. um die 65 m/sec
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  • eine ausladende Kopflage beschleunigt etwa 12 sec, Endgeschwindigkeit ist ca. 260 km/h bzw. um die 70 m/sec
05-Freifall-Kopflage
  • eine mit Gliedmaßen angelegte Kopflage beschleunigt bis zu 15 sec und länger und erreicht i.d.R. 280-300 km/h bzw. um die 80 m/sec und mehr
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Alle vorgenannten physikalischen Gegebenheiten beeinflussen damit das Fallverhalten eines Fallschirmspringers, welcher seinerseits wiederum seinen Fall durch unterschiedliche Bewegungen horizontal und vertikal bedingt beeinflussen kann.

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Erfahrungsgemäß wird ein normal fallender Mensch, und sei er noch so leicht und groß, inklusive einer bremswirkenden Haltung (normal bekleidet), womöglich niemals langsamer als 150 km/h bzw. um die 40 m/s fallen. Diese somit angenommene geringstmögliche Fallgeschwindigkeit ist für einen Menschen ohne Hilfsmittel zu keiner Zeit sinnvoll landbar.

Im Zuge dessen muss ein Mensch durch ein Hilfsmittel, wie bspw. einen Fallschirm, die anliegende Fallgeschwindigkeit unbedingt abbremsen, sodass er damit plausibel landen kann.

 

 

alle o.a. Bilder Mike Döding

Wingsuit

Eine Sonderart der Fallgeschwindigkeitsbeeinflussung stellt die sogenannte Wingsuit dar.

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Bei dieser Zusatzausrüstung handelt es sich um einen mit Flügel ausgestatteten Anzug, welcher auf die menschliche Anatomie und Leistungsfähigkeit angepasst wurde. Er wird zum Sprung am Körper getragen und entfaltet seine Wirkung nach dem Absprung, indem sich die Flügelteile aus Stoff mit Luft füllen und damit eine tragende und gleitende Wirkung entfalten.

Die durchschnittliche Fallgeschwindigkeit kann sich hier bei einem geübten Menschen auf bis zu 100 km/h bzw. um die 28 m/s reduzieren bzw. einspielen. Letzteres geht allerdings auch immer mit einem Gleitflug nach vorne, sprich einer Horizontalgeschwindigkeit einher. Diese kann, je nach Können und Vermögen des Springers, von 80-200 km/h reichen.

Damit entsteht ein Gleitflug mit entsprechender Bahngeschwindigkeit, der charakteristisch für den Sinn einer solchen Zusatzausrüstung ist. Im aktiven Gleitflug bewegen sich wiederum alle anzuwendenden Geschwindigkeitsparameter sehr dynamisch zueinander.

Ein Wingsuitspringer kann bspw. dabei, mit vorherig ausreichend Beschleunigung, phasenweise gar horizontal und ohne Sinken fliegen oder völlig gegensätzlich, bewusst senkrecht herabstürzen wie ein Greifvogel auf der Jagd.

Wie auch immer eine Wingsuit demnach eingesetzt wird, auch diese kann nach aktuellem Stand der Technik nicht plausibel bzw. in dauerhafter Absicht prinzipiell gelandet werden. Ein Wingsuitspringer braucht somit ebenfalls bzw. nach wie vor zur sicheren Landung einen Fallschirm, welchen er per Sprungsystem am Körper mit sich führen muss.

Bild Gerald Schmidt

2.3. Fallzeit

Als Fallzeit kann man die Zeit zwischen Absprung und Schirmöffnung bezeichnen. Die tatsächliche Fallzeit lässt sich niemals eindeutig vorab definieren und hängt im finalen Wert  von der jeweiligen Absprunghöhe, den Fallgeschwindigkeiten und der Auslösehöhe des Fallschirms ab.

Die Aufrechnung aller Fallzeiten sämtlicher Einzelsprünge ergibt derweil die sogenannte Freifallzeit eines einzelnen Springers.

In Fachkreisen kann dieser Zeitwert über den Erfahrungsstand eines Fallschirmspringers Aufschluss geben. Bspw. hat ein Springer mit 100 Sprüngen aus 1200 m mit jeweils immer 5-8 sec Fallzeit in diesem Sinne weniger Freifallerfahrung als ein Springer mit 100 Sprüngen aus 4000 m mit jeweils bis zu 50-60 sec Fallzeit.

Sofort nach dem Absprung beginnt im Fallen der Luftwiderstand der Atmosphäre zu wirken. Die Beschleunigungsphase und Endgeschwindigkeit eines fallenden Körpers sind somit abhängig von dessen Gewicht, Größe, Form und Oberfläche. Aber auch die Höhe über dem Meeresspiegel, sprich Luftdichte sowie Lufttemperatur, spielen eine Rolle.

Ist ein Fallschirmspringer bspw. ein leichter Mensch, so ist dessen Endgeschwindigkeit unter gleichen Bedingungen geringer, als die eines schwereren Menschen mit bspw. derselben Körpergröße. Oder derselbe Mensch fällt mit derselben Haltung in unterschiedlicher Bekleidung in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Oder beim gleichen Menschen mit derselben Ausrüstung erzeugt eine veränderte Körperlage einen Unterschied.

Somit ist die effektive Beschleunigungs- und Fallgeschwindigkeit eines Individuums nicht auf einen fixen Wert festlegbar, sondern ergibt sich aus der natürlichen Balance aller Parameter.

2.4. Freifallbewegungen

Unabhängig der Tatsache, dass ein Mensch nach dem bewussten Absprung aus einem Luftfahrzeug oder von einem fixen Objekt abwärts fällt, so kann dieser sich aufgrund der Fallbewegung und somit entstehenden Luftströmung auf seinen Körper in verschiedenen Arten bewegen bzw. Bewegungen umsetzen.

In diesem Zusammenhang unterscheiden sich auch auf vielfältige Weise die Körperhaltungen bzw. Körperlagen, welche neben den Gleichgewichtszuständen von stabil, labil oder indifferent auch in Flugzustände wie kontrolliert bzw. unkontrolliert unterteilt werden.

Dabei ist die stabil kontrollierte Bauchlage die Lage, die für das Öffnen eines Rückenfallschirms erstrebenswert ist. Man kann diese Lage auch als die Grundlage des Fallschirmspringens bezeichnen, in die jeder Springer immer wieder zum Ziehen seines Fallschirms zurückkehrt, egal welchem Freifallthema er vorher nachgegangen ist.

Bewegungen um alle Achsen: Prinzipiell lässt sich ein Körper durch die 3 Bezugsachsen Längs-, Quer- und Hochachse beschreiben.

Beim Fallschirmspringen sind dabei die Bezeichnungen für eine Bewegung um die:

  • Längsachse = Rolle
  • Querachse = Salto
  • Hochachse = Drehung
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Bilder Mike Döding

Wie diese Bewegungen initiiert werden lernt ein Fallschirmspringer in seiner Ausbildung.

Bewegungen im Raum: Geht man im Bezug auf einen konstant fallenden Körper von einer abweichenden Geschwindigkeit und/oder Richtung eines anderen Körpers aus, so ergibt sich zwischen beiden eine sogenannte relative Bewegung.

Diese Bewegungsrelation macht es bspw. erst möglich, dass zwei oder mehr Menschen formiert zueinander „fliegen“ können.

Beispiel 1: Ein Springer kann durch Haltungsänderung langsamer oder schneller als sein Gegenüber fallen und damit relativ zu diesem steigen oder sinken. Man nennt das in der Fachsprache deshalb auch „relative work“ (sog. RW-Springen).

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Beispiel 2: Ein Springer kann durch Haltungsänderung gegenüber seinem neutral fallenden Partner vorwärts fliegen und sich damit relativ zu diesem entfernen. Dies wird vor allem zur notwendigen Separation vor dem Öffnen der Schirme am Ende eines Formationssprunges eingesetzt.

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Auf diesem Wege ergeben sich nun nahezu unendliche Möglichkeiten, wie sich der Fallschirmsport im „freien Fall“ sowohl im Indoor- als auch Outdoor-Skydiving in Bewegung ausdrücken bzw. verwirklichen kann.

Eine Übersicht über alle Disziplinen versucht hierbei das Ausbildungshandbuch (AHB) Teil I der Bundeskommission Fallschirmsport (BKF) mit dem Modul -Befähigungen- zu erreichen. Das Erfassen aller sportlichen Erfahrung und Inspiration im Umsetzen von Freifallmanövern ist allerdings auch hierin nicht möglich.

2.5. Relativer Wind

Geht man in der Betrachtung eines senkrecht fallenden Körpers von einer direkten Luft-Strömung von unten aus, so ist das im Moment des Absprungs aus einem sich bewegenden Luftfahrzeug anders.

Dies definiert sich dadurch, dass die Flugbewegung einen zusätzlichen Fahrtwind erzeugt und somit eine anders gerichtete Luftströmung im Moment des Ausstiegs (sog. Exit) vorgibt. Diese relative Anströmrichtung ist wiederum relevant für eine kontrollierte Absprungbewegung und verlangt somit vom Springer ein entsprechendes Verhalten.

Physikalisch gesprochen folgt der Springer nach dem Exit aufgrund seiner Massenträgheit einer Wurfparabel:

Bilder Mirko Schmidt

Gefühlt erlebt der Springer jedoch in der Absprung- und Beschleunigungsphase einen Anströmungswechsel von vorne nach unten, der in der Wahrnehmung einer „Rutsche“ aus Luft gleicht.

Diesen natürlichen Windwechsel zu Beginn eines Sprunges von vorne nach unten bezeichnet der Fallschirmspringer als „relativen Wind“.

2.6. Absetzpunkt & Absprungreihenfolge

Während des Fallens und bei der Schirmfahrt ist jeder Springer der natürlichen Abdrift durch den Wind ausgesetzt. Diese Abdrift muss hinsichtlich des Absetzens von Fallschirmspringern berücksichtigt werden, damit diese auch immer wieder den gewünschten Landepunkt erreichen können.

Gleichzeitig spielt die tatsächliche Zeit im Freifall oder am Schirm eine Rolle. Bei gleicher Höhe erfährt bspw. ein „langsam“ fallender Mensch in Bauchlage mehr Abdrift als ein „schnell“ Fallender in Kopflage.
Aufgrund dessen wird in der Absprungreihenfolge (sog. Exitorder) zwischen den einzelnen Sprungvorhaben differenziert und zusätzlich eine Abstandsregelung zwischen den Absprüngen getroffen. Einzelheiten zum Absetzen und der Exitorder regelt die jeweilige Sprungbetriebsleitung (SBL).

Ab dem Moment, wo der Fallschirm geöffnet ist, folgt jeder Springer unter Berücksichtigung des Windes einem sinnvollen Flugplan, um mit seinem sprichwörtlichen Luftfahrzeug seine Landezone zu erreichen.

2.7. Höhenmesser

Um die Höhe über Grund zu bestimmen, muss ein Mensch ein Instrument benutzen. Die Höhenbestimmung beim Fallschirmspringen erfolgt dazu entweder mechanisch per Druckdose oder elektronisch per Druckluftsensor. Die Höhenanzeige auf dem Höhenmesser kann danach entweder analog oder digital erfolgen. Bei allen Modellen ist die Anzeige dabei so umgesetzt, dass sie sowohl im Steigflug, als auch im Fallen oder bei der Schirmfahrt immer die entsprechend aktuelle Höhe anzeigt. Hier geht es zum TAKE OFF Fallschirmshop

Der gezeigte Wert stellt dennoch keine absolute Höhenmessung dar, sondern ist nur eine Differenzanzeige zu einer gewünschten Bezugsebene, die i.d.R. der spätere Landeort ist.

Liegen Start- und Landeplatz hier auf einer Höhe, so wird ein mechanischer Höhenmesser bspw. vor dem Abflug auf „null“ gestellt. Elektronische Höhenmesser kalibrieren sich in derselben Situation beim Einschalten auf das Bezugsniveau.

 

Bilder TAKE OFF Fallschirmshop

Sollte der Start- und Landeplatz jedoch in unterschiedlicher Höhen liegen, so muss der Höhenmesser entsprechend angepasst werden. Bei einem Landeplatz, der also 250 m höher liegt, muss man demnach den Höhenmesser um 250 m tiefer stellen. Grund ist, dass man mit dem Flugzeug zuerst 250m steigen muss, um überhaupt auf die „null“ Ebene zu gelangen. Bei einem entsprechend tieferen Landeplatz gilt gleichermaßen das umgekehrte Verfahren.

Im Gebrauch kann ein Höhenmesser am Handgelenk, auf dem Handrücken oder am Gurtzeug angebracht werden. Es gibt dafür viele verschiedene Befestigungsmöglichkeiten, je nach Vorliebe des Nutzers. Wichtig bleibt einzig und allein die Lesbarkeit des Instruments während des Sprunges. Unterwegs wird der Höhenmesser regelmäßig abgelesen und gibt somit eine aktuelle Auskunft über die Flughöhe. Im freien Fall kann der Springer dadurch jederzeit bestimmen, ob er noch Höhe zur Verfügung hat, oder ob er seinen Schirm öffnen sollte.

Zur Landeplanung mit dem Fallschirm hilft der Höhenmesser ebenfalls bei der Umsetzung der Höheneinteilung. Die Genauigkeit der verschiedenen Modelle variiert und eine Landung darf somit niemals eine reine Instrumentenangelegenheit sein, sondern muss zusätzlich auch eine Sache der persönlichen Einschätzung des Springers bleiben.

Der Höhenmesser dient darüber hinaus in Notfällen auch als Entscheidungshilfe, vor allem, ob in einem Notfall eher schnell und direkt reagiert werden muss, da je nach Höhe keine „Zeit“ mehr für lange Aktionen bleibt. Damit ist die Mitnahme eines Höhenmessers zum Fallschirmspringen obligat, weil kein Mensch in der Lage ist, ohne Instrument seine Höhe über Grund exakt einzuschätzen.

3. Fallschirmsprungsystem

In seiner Bedeutung wird mit der einfachen Bezeichnung „Fallschirm“ i.d.R. ein ganzes Fallschirmsprungsystem betrachtet. Jedes Fallschirmsprungsystem kann hierzu vereinfacht auch nur als Sprungsystem, in Abwandlungen auch nur zweckgerichtet als Sport-, Tandem- oder Schülersystem bezeichnet werden.

Jedes Sprungsystem besteht hierbei aus drei Haupt-Baugruppen, welche man übergeordnet in Gurtzeug (inkl. Schirmcontainer), Haupt- und Reservefallschirm unterteilen kann.
Das Gurtzeug dient dazu, den Fallschirm am Menschen anzubringen und das Containersystem dazu, den Haupt- und Reservefallschim aufzunehmen.

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Bei Tandemsystemen kommt für den Tandemgast noch ein Tandempassagiergurtzeug hinzu. Dieses dient dazu, den Tandemgast für den Sprung mit dem Tandemgurtzeug des Tandempiloten zu verbinden.

Gezielte Einzelheiten zum Tandem springen finden sich derweil im Tandemhandbuch (THB) Teil I der BKF.

3.1. Gurtzeug

Um die Festigkeit eines kompletten Gurtzeuges zu erzeugen, sind die Gurt-Bauteile in ihrer Konstruktion entweder lasttragend miteinander vernäht oder an ihren Enden mit Metallschnallen zur Vernähung oder -schlaufung versehen. Einige Metallschnallen dienen zudem der Einstellung der Gurtlängen und erlauben somit eine Größenanpassung an den Träger.

Alle verwendeten Bauteile und Nahtbilder müssen darüber hinaus den einschlägigen Lufttüchtigkeitsbedingungen hinsichtlich ihrer Arbeits- und Bruchlasten entsprechen.

In der praktischen Anwendung findet man hierbei von maßangefertigten Gurtzeugen bis hin zu vielfach verstellbaren Gurtzeugen nahezu alle Variationen. Der jeweilige Hersteller beschreibt dabei nach Erstellung die zur Anwendung empfohlene Körpergröße und Gewichtszulassung.

In einer weiteren Unterteilung besteht das zusammenhängende Gurtzeug aus Schultergurten, welche auf der Vorderseite des Gurtzeuges in die rechts und links am Körper entlanglaufenden Hauptlastgurte übergehen. Im unteren Teil des Gurtzeuges gehen die Hauptlastgurte in die jeweiligen Beingurte über. Rückseitig besteht auf Hüfthöhe eine zusätzliche Querverbindung zwischen den Hauptlastgurten, dem sogenannten Lateralgurt. Im rückseitigen Fortlauf sind die Schultergurte ebenfalls mit dem Lateralgurt verbunden, indem sie sich dort, meist auf diagonalem Wege, in dessen Mitte oder knapp danebentreffen. Die Verbindungsstelle befindet sich in der Regel etwa dort, wo beim Träger später die Wirbelsäule ins Becken über geht. Variationen zum hier beschriebenen Verlauf dieser so genannten Rückenkreuzgurte sind möglich und hängen vom jeweiligen Hersteller ab.

Prinzipielles Fallschirm-Gurtzeug mit Haupttragegurten im 3-Ring System (siehe Abb.):

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Bild Internet - Open Source

Letztlich besitzt jedes Standard-Gurtzeug noch einen Brustgurt, welcher eine vorderseitige Verbindung der beiden Hauptlastgurte auf Brusthöhe darstellt. Diese Verbindung ist ebenfalls mittels Metallschnalle in der Länge verstellbar bzw. die dafür vorgesehene Verbindungsschnalle lässt ein bewusstes Ausschlaufen des Brustgurtes zu. So kann das Gurtzeug durch den Benutzer nicht nur angepasst, sondern insgesamt auch leichter an- und abgelegt werden.

Eine ähnliche Situation liegt bei den Beingurten vor, die ebenfalls über Metallschnallen in ihrer Länge verstellbar und somit an den Benutzer anpassbar sind.

Der wesentliche Unterschied ist hier jedoch die Festigkeit jeder einzelnen Beingurt- verstellschnalle, welche wegen der Lastaufnahme zur Fallschirmöffnung bspw. um ein vielfaches höher liegt, als die einer üblichen Brustgurtschnalle.

Im Alltagshandling werden zudem die Beingurte zum An- und Ablegen nicht ständig ausgeschlauft, sondern meist nur auf- und zugezogen, während man mit den Beinen lediglich ein- und aussteigt.

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Je nach Hersteller können zusätzlich noch Variationen mit Hüftgurten auftreten, die je nach Verwendungszweck des Gurtzeuges (bspw. bei Tandempassagieren) zum Einsatz kommen. Im Normalfall befinden sich am Gurtzeug dann im Bereich der Schlüsselbeine die fest installierten Verbindungen zum Hauptschirm.

Die Anbringung des Hauptschirms erfolgt bei den meisten Gurtzeugen über eine unter Last trennbare Verbindung, z.B. durch einzelne Kappentrennschlösser rechts und links (Abb. u. li.) oder jeweils mit einem sogenannten 3-Ring-System (Abb. u. re.).

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Das Trennsystem dient vornehmlich dazu, den Hauptschirm bei einer entsprechenden Situation, wie einer Fehlöffnung, im Flug abwerfen zu können. Dazu muss das System einerseits eine hohe Kraftaufnahme zur Fallschirmöffnung und andererseits eine Freigabe-Funktionalität unter Last gewährleisten.

Hierzu hat sich beim Sportspringen in der Neuzeit das sogenannte 3-Ring-System durchgesetzt.

Bei diesem System wird über Hebelmechanik eine Verhakung der Haupttragegurte mit dem Gurtzeug hergestellt.

Durch die Hebelübertragung wird dabei die Verschlusskraft des Mechanismus so stark reduziert, dass eine kleine Spezialstoffschlaufe (sog. 3-Ring-Loop) und eine dazu quergesteckte Kabelverriegelung ausreicht, um a) das System zuverlässig zu halten und b) dieses dennoch sehr leicht unter Belastung öffnen zu können.

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Das Verriegelungskabel am 3-Ring ist mit dem Trenngriff/-kissen verbunden. Wird daran gezogen, öffnet man den Verschluss und trennt damit die Verbindung zwischen Fallschirm und Gurtzeug.

Die Kabellängen sind bei ihrer Verlegung am Gurtzeug indes so abgestimmt, dass sie bei Betätigung beide Seiten praktisch gleichzeitig freigeben.

Nach dem Abtrennen folgt dann durch den Springer i.d.R. umgehend das Reserve Ziehen. Situationen hierzu beschreibt u.a. auch das AHB Teil I der BKF.

Von der besagten Schulterstelle aus folgen nach oben reichend die Haupttragegurte (sog. Riser), welche im weiteren Verlauf mit etwa einer Armlänge die Verbindungspunkte zu den Fallschirmleinen bilden.

Zwischen den Schultergurten und der Aufnahme für die Haupttragegurte liegen beim Großteil der Gurtzeuge zusätzlich noch die Reservetragegurte.

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31-Gurtzeug-07-Confluence-Wrap

Diese sind fester Bestandteil des Gurtzeuges und entstehen entweder aus der weiteren Verlegung der Hauptlastgurte nach oben/hinten oder sie werden als separate Anbauten fest mit den Schultergurten auf Höhe der Hauptschirmaufhängung vernäht.

Nicht selten findet sich hier als Verstärkung der Nahtverbindung noch eine gleichzeitige Umwicklung (engl. Confluence-Wrap).

3.2. Containersystem

Das Gurtzeug ist mit dem Containersystem direkt verbunden, indem beides bei der Herstellung zusammen vernäht wird.

Dabei geht die jeweilige Anbringung der späteren Bedienelemente, wie Trenn- und Reservegriff des Fallschirm-systems, inklusive diverser Schutzabdeckungen und Polsterungen damit einher.

Wie genau und in welchen Abmessungen sich ein Containersystem bewegt, wird durch den Schnitt des Herstellers bestimmt. Der Hersteller trifft auch die Wahl der Konfektionierung von Volumenverteilung zu den jeweilig vorgesehenen Fallschirmtypen (Haupt- bzw. Reserveschirm), die das Containersystem später aufnehmen soll. Das benötigte Volumen wird dazu in Zusammenhang mit der jeweiligen Gurtzeuggröße gebracht und bestimmt somit die Höhe, Breite und Tiefe des Containers. Der Schnitt des Gurtzeugmodells passt sich dabei anatomisch und ergonomisch an den späteren Springer an.

32-Container-System-Fallschirm

Bild Sunpath - PIA Symposium

Ein Fallschirmcontainer wird in nahezu allen Fällen auf dem Rücken des Benutzers getragen. Es gibt aber auch spezielle Container-Techniken mit denen Fallschirme nur auf dem Bauch oder gar als Sitzkissen (u.a. bei Rettungsschirmen von Piloten) getragen werden können.

Prinzipiell folgt ein herkömmlicher Fallschirmcontainer einer Kastenbauweise. Es wird dazu aus dem Stoff ein Behältnis geformt, welches durch Ecknähte stabilisiert wird. Das dadurch entstandene Containerfach nimmt später den Fallschirm in seiner gepackten Form auf. Jedes Containerfach wird in der weiteren Folge durch sich überlappende Klappen geschlossen, an deren jeweiligen Enden befindet sich ein kleiner Ösendurchbruch für eine spätere Verriegelungsschlaufe (sog. Loop). Dieser Loop wird nach dem Packen durch einen quer gesteckten Verschlussstift (sog. Pin) blockiert und verschließt somit den Container.

Letztere Loop-Verriegelung hält demnach den dahinter verpackten Fallschirm an Ort und Stelle, bis sich bspw. der Springer entscheidet, diese aufgrund von Höhe oder Zeit wieder zu öffnen.

32-Container-System-Fallschirm-Verpackung

Die damit gleichfalls erreichte Verkleidung des verpackten Fallschirms schützt diesen ebenfalls vor den Einwirkungen der Luftströmungen, die den Springer im freien Fall in den verschiedenen Körperlagen umgeben können.

Genau aus diesem Grund ist es für jedes System ebenfalls von enormer Bedeutung, welchen Packdruck es im Zusammenspiel von Konstruktionsvolumen zu Packvolumen zu Loop-Länge erzeugt.

Ein entsprechender Packdruck und ordentlicher Loopzustand sind somit immer wünschenswert, so dass es a) nicht zu einer versehentlichen Selbstauslösung und b) nicht zu einem Blocken der Verriegelung kommt.

Die maximal zulässige Zugkraft zum Aufziehen eines Fallschirmcontainers ist derweil systemabhängig und wird vom Hersteller bzw. den einschlägigen technischen Handbüchern benannt.

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3.3. Verpackungsstufen

Ein Fallschirmtechniker bezeichnet den Containerkomplex eines Fallschirmsystems als äußere Verpackungshülle. Die darin befindliche Packtasche, auch Packsack oder Packschlauch genannt, in der sich der eigentliche Fallschirm befindet, bezeichnet er als innere Verpackungshülle.

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Standardfall: Wird die äußere Verpackung geöffnet und die innere Verpackung herausgezogen wird die Fallschirmstreckung eingeleitet, mit deren Abschluss sich der Fallschirm entfaltet. Diese Chronologie wird quasi beim Verpacken (sog. Packen) eines Fallschirms immer wieder in umgedrehter Reihenfolge angewandt, damit sich ein Fallschirm in exakt diesen Schritten (s.u. Abb. 1-6) auch wieder öffnen kann.

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Bild Internet - Open Source

Die heutzutage gängigste Form der inneren Hauptschirmverpackung ist die Packtasche (sog. POD, Parachute Opening Device). Die Kurzform POD hat sich als Bezeichnung hier auch in der vereinfachten Umgangssprache durchgesetzt. Der Hilfsschirm und POD sind darüber hinaus fest mit dem Hauptschirm verbunden, sodass beide im Gebrauch bzw. nach der Öffnung am System zur Wiederverwendung verbleiben.

3.4. Freebag

Die am meisten anzutreffende Form der inneren Reserveverpackung ist das sogenannte Freebag. Die Bezeichnung ist aus dem englischen komplett übernommen und eingedeutscht worden.

Im Gegensatz zu einem Hauptschirm löst sich bei einem Reservesystem i.d.R. die innere Verpackungstasche im Öffnungsverlauf gänzlich von der Reservefallschirmkappe ab. Diesem Umstand verdankt das Freebag sprichwörtlich seinen Namen.

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Das Lösen geschieht zum einen, weil es keine fixe Verbindung zwischen Tasche und Schirm gibt und zum anderen in dem Moment, zu dem sich die Fangleinen des Reserveschirms voll gestreckt haben und damit den Taschenverschluss des Freebags öffnen.

Letztere Funktion gibt gleichzeitig den Reserveschirm zur Entfaltung frei und leitet die Separation beider Bauteile ein.

4. Fallschirm

Mit dem Wort Fallschirm wird neben der Gesamtbetrachtung eines Sprungsystems vor allem die Fallschirmkappe als solche bezeichnet. Man muss die Bezeichnung Fallschirm also auch immer im Bezug zur Bedeutung betrachten.

Ein Fallschirm besteht dabei nach heutigem Verständnis aus der eigentlichen Fallschirmkappe (engl. Canopy) aus Stoff und den dazu gehörigen Leinen als Verbindung zum Gurtzeug.

4.1. Fallschirmformen

Grundsätzlich unterscheiden wir bei modernen Fallschirmen zwei Formen:

1. den Flächenfallschirm und 2. den Rundkappenfallschirm.

41-Fallschirm

Bild Performance Designs

42-Fallschirm

Bild Lutz Birnbach

Der Flächenfallschirm ist dabei die Form, die sich weltweit als Baumuster sowohl als Haupt-, als auch Reserveschirm durchgesetzt hat. Das liegt vor allem daran, dass ein Flächenschirm nach aerodynamischen Flugprinzipien funktioniert, während ein Rundschirm nur auf Widerstandsbildung ausgelegt ist.

4.2. Flächenfallschirm

Ein Flächenfallschirm besitzt in der Draufsicht überwiegend eine rechteckige bis semielliptische Form. Es gibt aber inzwischen auch nahezu elliptische Fallschirmformen. In der Seitenansicht zeigt sich bei allen ein Profil, das dem eines einfachen Tragflügels ähnelt.

In der Breite besteht der Flächenfallschirm aus mehreren Zellen, Standard sind hier 7 oder 9. Jede Zelle besteht aus mindestens 2 Kammern, wobei alle Zellen und Kammern aneinander genäht die Größe des Fallschirms ergeben.

Die Flügelfläche ergibt sich somit aus dem Produkt von Breite zu Tiefe. Dieses Verhältnis wird auch Streckung genannt. Sie kann je nach Form und beabsichtigter Performance des Flügels variieren. Die Unterseite des Fallschirms ist über Leinen mit dem Gurtzeug verbunden. So entsteht die Kraftübertragung vom Springer zum Fallschirm und umgekehrt.

Die Leinen verlaufen dabei von allen vier Haupttragegurten, jeweils rechts und links, hinten und vorne, nach oben zur Fallschirmkappe hin. Bei vielen Modellen teilt sich jede Leine nochmals an einer bestimmten Stelle (sog. Kaskade) in zwei Teilleinen auf und schafft somit pro Leine 2 Anknüpfungspunkte (sog. Attachements oder Attachement Points). Die Attachement Punkte sind wiederum Teil eines im Schirm befindlichen, eingenähten Verstärkungsband-Gerippe, das für die Kraftaufnahme und Kraftübertragung vom Stoff zu den Leinen und umgekehrt sorgt.

Die Leinen, welche alle zusammen die Fallschirmkappe im Flug in Form halten und darüber hinaus den Springer tragen bzw. diesen in der Öffnung auffangen, werden in der Fachsprache auch als „Fangleinen“ bezeichnet.

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Bild Zeitschrift Skydive

Weiterhin ist der Flächenfallschirm so konstruiert, dass er durch sein Profil zwischen Ober- und Unterseite bei Befüllung eine räumliche Form erhält. Dabei ist er an seiner Vorderkante (sog. Nase) offen und an seiner Hinterkante (sog. Schwanz) geschlossen. Von einer Seite zur anderen verteilen sich die Rippen (sog. Spanten), wovon jede die gewünschte Profilform fortführt. Am jeweiligen rechten und linken Abschluss sind die Spanten als eine durchgehende Stofffläche konstruiert. So kann die Luft nicht aus dem Fallschirm entweichen. In den Spanten zwischen den Zellen und Kammern befinden sich hingegen Überströmöffnungen (sog. Crossports), die für einen Druckausgleich nach der Entfaltung sowie für eine gute Formstabilität bzw. Staudruckverteilung sorgen.

Bei der Öffnung kommt es zudem zu einem sogenannten Entfaltungsstoß. Aus Belastungsgründen muss dieser durch einen Entfaltungsregler (sog. Slider) abgefangen werden. Auf dieses Bauteil wird später noch einmal eingegangen.

Nachdem durch die Öffnung genügend Luft in die Fallschirmkappe hinein gedrückt wurde, beginnt diese a) aufgrund des Widerstandes den Springer abzubremsen aber auch b) wegen des Springergewichts weiter zu sinken. Der Flügel erfährt somit weiter eine Luftanströmung und das Wirkungsprinzip des Profils beginnt.

Dessen Formstabilität hängt direkt mit der weiter anliegenden Luftströmung an der Nase des Schirms zusammen. Man darf sich den offenen Fallschirm deshalb nicht als fest aufgeblasenes, starres Konstrukt vorstellen, gerade weil er auch gegenüber der einströmenden Luft bspw. keinen dichten Ventilverschluss besitzt.

Es ist deshalb vielmehr ein Zusammenspiel verschiedenster Parameter, die wiederum nur so lange wirken, wie Anströmung bzw. Geschwindigkeit am Fallschirm anliegt.

Hier die Frontalansicht eines komplett geöffneten Flächenfallschirms. Dieser ist voll in Form, alle Leinen sind gestreckt und der Springer befindet sich aufrecht hängend im Gurtzeug darunter. Der Slider (gerafft) befindet sich unten, direkt auf den Haupttragegurten aufliegend.

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Bild Christin Hoppe

Im Detail kann man anhand der folgenden Grafik sehen, dass die Fallschirmkappe nicht horizontal eben, sondern leicht nach vorne geneigt aufgehängt ist. Das geschieht dadurch, dass die besagten Leinenbündel mit ihren Kaskaden von vorne nach hinten eine zunehmende Länge aufweisen. Hierzu werden vier Ebenen am Fallschirm benannt. Von den vorderen Tragegurten aus entstehen über die Kaskaden jeweils die A- und B-Ebene, über den hinteren die C- und D-Ebene.

Die A-Position befindet sich direkt an der Nase, unten am Lufteinlass des Fallschirms. Die B- bis D-Ebenen befinden sich mit entsprechendem Abstand dahinter, zunehmend in Richtung Schwanz der Fallschirmkappe.

Die Verteilung der A-B-C-D Positionen bestimmt der Konstrukteur der Fallschirmkappe. Prinzipiell ist die D-Ebene aber niemals ganz am Schwanz des Schirmes zu finden. Vielmehr liegt diese bei den meisten Fallschirmen nahezu um 1/4 bis 1/5 der Tiefe davor. Somit ist der Schwanzbereich im Flug frei und hält sich genau genommen nur durch den Staudruck in Form und Position.

Vorbemerkt sei hier, dass am Schwanz des Schirmes rechts und links außen trotzdem gewisse Leinen befestigt sind. Es handelt sich hierbei aber nicht um fixe Fangleinen, sondern um bewegliche Steuerleinen (SL), auf die hier später noch eingegangen wird.

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Das Augenmerk liegt nun auf der Neigung der Fallschirmkappe aufgrund der unterschiedlich langen Fangleinen pro Ebene. Diese Neigung wird auch Trimmung genannt und sorgt nach der Öffnung gegenüber dem Horizont für eine schiefe Ebene (sog. Einstellwinkel).

Kommt nun die Gewichtskraft des Springers mit ihrer Zugwirkung Richtung Boden hinzu, entsteht anhand dieser schiefen Ebene aus Luft gleichzeitig eine Vorwärts- wie auch Abwärtsbewegung (sog. Vortrieb). Der Fallschirm beginnt somit von seiner Unterseite her auf dem Luftpolster darunter zu gleiten. Deshalb spricht man hier auch von einem Gleitfallschirm.

Durch die Entfaltung und das Vorwärts-Gleiten entsteht innerhalb der Fallschirmzellen nun ein (Luft-)Staudruck. Ist der Fallschirm ausreichend gefüllt, strömt sogleich die weitere Luft unter- und oberhalb daran vorbei. Ab diesem Moment beginnt die Profilform zu wirken und anhand von nun entstehenden Druck- und Sogwirkungen entsteht eine Auftriebskraft.

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Das aerodynamische Auftriebsprinzip muss hier nicht weiter erläutert werden, lediglich dass der Flächenfallschirm hierdurch eine Tragfähigkeit entwickelt und somit ein bestimmtes Gewicht auf eine annehmbare Flug- und Landegeschwindigkeit reduzieren kann. Die sinnvollen Parameter dazu benennt der Hersteller, die Erfahrungsbemessung zum Betrieb obliegt dem Springer.

Ein Springer kann darüber hinaus seinen Flächenfallschirm über dessen Steuerleinen lenken und zum Landen abbremsen. Damit kann sowohl die Landestelle und Landegeschwindigkeit, als auch die Verkehrssicherheit souverän bestimmt sowie die Belastung auf den Körper bei der Landung minimiert werden. Durch Abbremsen des Schirms über die Steuerleinen gehört eine stehende Landung heutzutage beim geübten Springer zum Standard. Gerade diese Eigenschaften machen den Flächenfallschirm auch aus und sorgen für seine breite Akzeptanz unter den Sportspringern.

Die Steuerleinen sind dazu im Detail jeweils mit einer Steuerschlaufe zur Bedienung, ggf. einem Vorbremsauge und einer oberen Kaskade versehen. Die obere Kaskade sorgt dafür, dass über die Steuerzweigleinen angemessen viel Stoff zum Steuern und Abbremsen bewegt werden kann. Ein vorhandenes Vorbremsauge wird beim Packen dazu genutzt, die Steuerleine im Packvorgang künstlich zu verkürzen. Dies wiederum beeinflusst die jeweilige Öffnungsqualität eines damit ausgerüsteten Fallschirms positiv. Die Steuerschlaufen am unteren Ende der Steuerleine dienen zum leichteren Greifen der Leine und um Bewegungsimpulse direkt auf die Leine zu geben.

Zusätzlich ist die Steuerleine am hinteren Tragegurt freilaufend durch einen dort angebrachten kleinen Ring geführt. Somit kann sie zum einen stufenlos bewegt werden und zum anderen kann sie, bspw. bei einem versehentlichen aus der Hand gleiten, nicht verloren gehen. Gleichzeitig ist die SL nach einer normalen Öffnung sowie anhand dieser Grundposition auch immer an genau dieser Stelle wiederzufinden.

Alles in Allem ist der Flächenfallschirm damit ein sprichwörtliches Luftfahrzeug und muss entsprechend kompetent und nach Verkehrsregeln bedient werden. Hierzu ist laut Gesetzgeber eine entsprechende Ausbildung und Erlaubnis zum Betrieb notwendig. Die Nutzungsvielfalt, die aus den o.a. Möglichkeiten entstehen kann, versucht wiederum das AHB der BKF im Modul -Befähigungen- zu beschreiben.

Nichtsdestotrotz kann jederzeit eine Fehlentfaltung oder eine Beeinträchtigung des Flügelprofils zu einer nicht flugtauglichen Fallschirmkappe führen. Hierzu gibt es explizite Verhaltensmaßnahmen, die ein Springer von Beginn seiner Grundausbildung an lernt und übt. Einzelheiten hierzu sind im AHB Teil I der BKF zu finden.

Im AHB Teil I werden u.a. auch Bedienungsfehler angesprochen, die aber in ihrer Fülle von Variationen und in Verbindung mit dem Menschen als Fehlerquelle #1 nicht alle erfassbar sind. Es ist also in erster Linie der Verstand des Fallschirmpiloten, der über Erfolg und Misserfolg eines Kappenfluges entscheidet.

Zur Vervollständigung dieses Abschnitts wäre noch anzumerken, dass die Öffnung eines Flächenfallschirms durch den bereits erwähnten Slider beeinflusst wird. Hier handelt es sich um ein rechteckiges Stofftuch mit jeweils einem geösten Durchlass an jeder Ecke. Durch jede Öse verläuft jeweils ein Haupt-Fangleinenbündel zwischen dem jeweiligen Tragegurt und dem Fallschirm. Bei den hinteren Tragegurten inklusive der Steuerleinen.

Das bewegliche Bauteil liegt somit im Gebrauch horizontal wie ein Segel zwischen den Fangleinen und entwickelt seine Funktion in der Fallschirmöffnung.

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Beim Packvorgang wird der Slider des Fallschirms an dessen direkte Unterseite (sog. Basis) gelegt, wo er gelagert bleibt, bis er in der Öffnung aus der Verpackung heraus mit dem Luftstrom konfrontiert wird. In diesem Moment geschehen zwei Dinge gleichzeitig:

1. Der Slider verhindert durch seine geringe Größe ein abruptes Entfalten der Kappe.

2. Durch den Luftwiderstand wird der Slider kurz noch an der Basis gehalten und verzögert somit ebenfalls die Entfaltung. Dies sorgt für ein sanftes Abfangen des Springers.

Mit abnehmender Geschwindigkeit lässt die Luftkraft auf den Slider nach, während die Entfaltung die Oberhand gewinnt. In diesem Vorgang drückt die Fallschirmkappe den Slider immer weiter nach unten Richtung Springer. Genau dieser Eigenschaft verdankt der „Slider“ auch seinen inzwischen eingedeutschten Namen.

Ist der Slider bis ganz nach unten gerutscht, gilt die Fallschirmkappe als geöffnet (siehe auch Abb. S.18+19). Damit ist der Slider ein funktionsbestimmendes Bauteil. Er muss demnach auch immer in ordnungsgemäßem Zustand und einwandfrei gepackt sein. Ob ein Slider nach der Öffnung gerafft oder gar entfernt werden kann, bestimmen wiederum das Schirmmodell und der Hersteller.

4.3. Rundkappenfallschirm

Eine sogenannte Rundkappe besitzt in der Draufsicht, wie ihr Name bereits zum Ausdruck bringt, eine Kreisform. Ihr Querschnitt ist im Wesentlichen eine hohle Halbkugel. In der Seitenansicht besteht die Rundkappe aus mehreren Bahnen. Jede Bahn besteht aus mehreren Feldern. Alle Bahnen und Felder aneinander genäht ergeben im Verbund den Durchmesser bzw. die Oberfläche der Rundkappe.

Der oberste Punkt der Rundkappe wird Scheitel genannt. Der untere Teil der Stoffbahnen, der später die kreisförmige Unterkante der hohlen Halbkugel bildet, wird als Basis bezeichnet. Von der Basis bis zum Gurtzeug verlaufen die Fangleinen, die später die komplette Kraft der Öffnung aufnehmen und die Tragfähigkeit der Fallschirmkappe auf den Springer übertragen.

Kommt im Entfaltungsvorgang Luft in die zusammengefaltete Hohlform, drückt diese sie auseinander. Es entsteht wiederum ein Staudruck, der die Rundkappe in Form hält.

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Bild Patrick Herbst

Das Wirkungsprinzip der Rundkappe basiert somit auf reiner Luftwiderstandserzeugung. Deshalb auch die hohle Halbkugelform mit einem relativ hohen Widerstandsbeiwert (sog. Cw-Wert). Der von der Größe der Rundkappe abhängige Widerstand sorgt am Ende für eine entsprechend abgebremste Sinkgeschwindigkeit des daran hängenden Gewichts. Welche Größe demnach für welches Gewicht geeignet ist, bestimmt der Hersteller. Die Erfahrungsbemessung zum Betrieb obliegt dem Springer. Insgesamt landet eine Rundkappe aufgrund ihrer Physik immer in einer stetigen Sinkbewegung, die in fast allen Fällen mit einer Landerolle, dem sogenannten Landefall, körperlich aktiv durch den Springer bei Bodenberührung abgefangen werden muss.

Im Kleinen wird das Rundkappenprinzip vor allem bei Hilfsschirmen benutzt, die hinsichtlich ihrer Funktion in einem späteren Abschnitt erklärt werden.

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Der große Nachteil dieser Fallschirmform für das Sportspringen ist, dass Rundkappen nur bedingt steuer- oder abbremsbar sind. Hier steckt neben der hohen Wahrscheinlichkeit einer ungewünschten Abdrift auch permanent die latente Gefahr einer Landeverletzung. Diese Aussage ist zwar hinsichtlich der verschiedenen Modelle als relativ zu betrachten, ist aber auch der Grund, warum im zivilen Sportbereich solche Fallschirme nur noch selten anzutreffen sind.

Im Detail betrachtet treibt eine offene Rundkappe quasi nur mit dem Wind ab, während sie anhand ihrer Gewichtsbelastung mehr oder weniger schnell zu Boden sinkt. Zwar gibt es aufgrund von Schlitzen oder Gaze-Feldern in den Bahnen die Möglichkeit einen leichten Vorschub durch Staudruck-Luftaustritt zu erzeugen, was sich aber im Vergleich zu den Möglichkeiten eines Flächenfallschirms sehr in Grenzen hält.

Darüber hinaus kann man die Rundkappe in ihrer Ausrichtung drehen. Das ist möglich, indem man bspw. an einem Tragegurt zieht und dadurch die Abdrift einseitig beeinflusst (sog. Slippen). Oder es gibt eigens dafür installierte Zugleinen, mit denen man Schlitze oder Gaze-Felder entsprechend bewegen kann.

Die Reaktionen einer Rundkappe sind eher als träge zu bezeichnen und bedürfen stets vorausschauender Überlegungen. Zumindest kann der Springer auf seinen Driftwinkel bzw. seine Driftrichtung, also Bewegung über Grund, bedingt Einfluss nehmen und so u.a. Hindernislandungen oder Kollisionen vermeiden.

Dennoch bleibt der Aktionsradius am Rundkappenfallschirm, im Vergleich zum Flächenfallschirm, sehr beschränkt.

5. Auslösung von Fallschirmen

Die Auslösung eines Fallschirms kann sowohl manuell, als auch automatisch erfolgen. Mit der Auslösung der äußeren Verpackung beginnt zeitgleich der Öffnungsvorgang des betreffenden Fallschirms. Der Moment der Auslösung wird in der Fachsprache überwiegend als „Pull“ bezeichnet.

Für den weiteren Verlauf der Fallschirmöffnung besteht zudem die Notwendigkeit einer fortführenden Kraftübertragung auf die Fallschirmstreckung nach dem Ziehen. Diese kann zum einen durch den Luftwiderstand eines kleinen runden Hilfsschirms oder auch durch eine am Flugzeug arretierte Aufziehleine, die als fixer Gegenpol für die Streckung sorgt, entstehen.

Der Öffnungsvorgang selbst kann danach normal (wie geplant) oder gestört verlaufen. Was als normal oder als gestört betrachtet wird, wird im AHB Teil I der BKF in den betreffenden Modulen beschrieben.

5.1. Manuelle Auslösung

Als manuelle Auslösung wird das bewusste Ziehen per Hand (sog. Hand-Deploy) des dafür installierten Aufziehgriffes am Fallschirm bezeichnet (z.B. u.li. per Aufziehgriff und u.re. per direktem Hilfsschirmwurf).

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Bild TAKE OFF Fallschirmsport

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Bild TAKE OFF Fallschirmsport

Aufziehgriff-Auslösungen (sog. Ripcord) öffnen dabei per Griff-Verschlusskabel die Containerverrieglung durch direktes Ziehen. Das Kabel kann dabei selbst die Verriegelung darstellen oder es befindet sich an dessen Ende ein expliziter Verschlussstift (sog. Pin, von einfach bis mehrfach, je nach Containertyp) der die Verriegelungseinheit bildet und über das Kabel gezogen wird.

Chronologisch muss sich bei der Ripcord-Auslösung dann immer ein vorgespannter Federhilfsschirm unmittelbar unter bzw. hinter den Containerklappen befinden.

Der Federhilfsschirm soll dabei im Moment der Containerentriegelung die vorgeplante Kraft entwickeln, um a) die Containerklappen beiseite zu drücken und b) in den Luftstrom zu springen, was wiederum die weitere Fallschirmstreckung einleitet.

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Darüber hinaus findet die Auslösung mittels Griffkabel und Federhilfsschirm inzwischen bei nahezu allen handelsüblichen Reservecontainern bzw. Reserveschirmen Anwendung.

Eine weitere Form der manuellen Auslösung ist das eigenhändige Werfen eines Hilfsschirmes (sog. Pilot Chute, PC) in den Luftstrom. Die hierfür genutzten Hilfsschirme sind rein aus flexiblen Stoffen gebaut und entwickeln ihre Zugkraft anhand deren Bauart. Werden sie über den angebrachten Griff gezogen und in den Luftstrom geworfen, so werden dadurch die Containeröffnung und die Fallschirmstreckung eingeleitet.

Besonderheit dieser Auslösung ist, dass die Entriegelung des Fallschirmcontainers nun durch den Hilfsschirm bewerkstelligt werden muss. Deshalb findet diese Form der Auslösung vor allem bei Hauptschirmen bzw. bei Hauptcontainern Anwendung.

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Bild TAKE OFF Fallschirmsport

Aktuell handelsüblich gibt es hierfür zwei verschiedene Hilfsschirmsysteme. Beide haben zunächst gemeinsam, dass der Aufziehgriff direkt mit dem Hilfsschirm verbunden ist und dieser durch den Springer von dessen Position am Gurtzeug aus gezogen wird.

Der Unterschied zwischen beiden Systemen, die aus technischer Sicht auch als Throw-Out und Pull-Out bezeichnet werden, stellt sich dabei wie folgt dar:

Throw-Out: Der PC wird zum Sprung in einer außerhalb des Hauptcontainers angebrachten Tasche verpackt und verbleibt dort, bis der Springer diesen im Sprung wieder heraus zieht und direkt in den Luftstrom wirft. Aufgrund dieser Eigenheit wird ein so benutzter „Wegwerf-Hilfsschirm“ auch als „Throw-Out“ [2] bezeichnet.

Die dafür notwendige PC-Tasche befindet sich neuzeitlich bzw. im Standardfall unterhalb des Hauptcontainerbodens des Fallschirmsystems rechtsseitig angebracht (sog. BOC, Bottom Of Container). Linksseitige Variationen sind aufgrund von Handicap-Situationen jedoch ebenfalls möglich.

[2] Da in der deutschen Linguistik das englische „th“ nicht als Naturell vor kommt, bedient sich hier die breite Masse umgangssprachlich eher am Begriff des „Hand-Deploy“ als Bezeichnung für ein „Throw-Out“.
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Bild TAKE OFF Fallschirmsport

Die PC-Tasche kann sich generell aber auch auf der Rückseite eines Beingurtes (sog. ROL, Rear On Legpad) oder als Extratasche auf einem separaten Bauchgurt aufgenäht befinden. Die beiden zuletzt beschriebenen Positionen sind allerdings im Alltag heute eher selten zu finden.

Die Funktionsweise des Throw-Outs beschreibt sich nach dem dynamischen Wurf so, dass sich der PC füllt und einen direkten Luftwiderstand entwickelt. Damit bremst der PC innerhalb des anliegenden Luftstroms im Verhältnis zum weiterfallenden Springer abrupt ab.

Das entstehende Zugmoment zwischen PC und Springer wird sogleich auf die Hilfsschirmverbindungsleine (sog. Bridle) übertragen, die sich dadurch streckt und unter Spannung gerät bzw. diesen Zug Richtung Gurtzeug weiterleitet.

Im weiteren Verlauf der Bridle befindet sich dann beim Throw-Out ein angenähter Pin, der durch die PC-Kraft nun bewegt und aus dem Verschlussloop gezogen wird.

Aufgrund der Tatsache, dass hier allein der Hilfsschirmzug den Container öffnet, braucht dieses Öffnungssystem auch unbedingt einen gebogenen Verschluss-Pin, der sich im Zugverlauf gegen den Packdruck des Containers aufrichtet und damit sichelförmig aus dem Verschluss schälen kann.

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Dadurch wird der Container entriegelt und die Öffnung/Streckung des Fallschirms eingeleitet.

Pull-Out: Der PC wird zum Sprung innerhalb des Hauptcontainers verpackt, während es eine Verbindung zum außerhalb gelagerten Aufziehgriff gibt. Durch eine weitere Verbindung des Aufziehgriffes mit dem Verschluss-Pin wird somit beim Ziehen des Pull-Outs sowohl der Hauptcontainer direkt mit der Ziehbewegung geöffnet, als auch der PC aus seiner Verpackung gezogen. Gemäß dieser Eigenheiten wird das System als „Pull-Out“ bezeichnet.

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Der Aufziehgriff hat dabei in der Regel eine etwa Handflächen große, gut greifbare Kissenform. Das Griffkissen selbst wird üblicherweise außen am Hauptcontainerboden (sog. BOC) rechtsseitig des Fallschirmsystems angebracht. Die Anbringung erfolgt entweder über eine Stecklasche bzw. -tasche, eine Klettfixierung oder beides im Zusammenspiel. Vom Aufziehgriff aus gibt es zusätzlich zur direkten Verbindung zum Verschlussstift des Hauptcontainers noch eine Verbindung zum hier innenliegenden PC. Die technische Umsetzung der einzelnen Notwendigkeiten bestimmt der Hersteller.

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Aufgrund der Bauart ergibt sich beim Auslösen des Pull-Outs dann folgende Chronologie:
Der Springer zieht am Griffkissen und bewegt damit die direkte Verbindung zum Verschluss-Pin. Er öffnet im weiteren Verlauf durch manuelle Zugkraft den Hauptcontainer und gibt dadurch den bis dahin verpackten Hilfsschirm frei. Durch die Fortführung der dynamischen Zug- und Wurfbewegung bringt der Springer den PC unmittelbar in den Luftstrom und lässt ab hier den Aufziehgriff los.
Damit ist der Fallschirmcontainer offen und die Öffnung/Streckung des Fallschirms eingeleitet.

Aufgrund der Tatsache, dass bei diesem Öffnungssystem der Springer den Container direkt öffnet, braucht es hierzu unbedingt einen geraden Verschluss-Pin, welcher in Zugrichtung und gegen den Packdruck des Containers geradlinig aus dem Verschluss-Loop gleiten kann.

Hinsichtlich der Bedienung beider Systeme (Throw- und Pull-Out) finden sich jeweils Hinweise in den betreffenden Herstelleranweisungen und ergänzend auch im AHB Teil I der BKF.

5.2. Bremsschirm

Eine hybride Form der Fallschirmauslösung ist die Verwendung eines Bremsschirms (sog. Drogue-Chute, kurz Drogue).

Bei Tandem- oder Gepäcksprüngen führt das große Gesamtgewicht sehr schnell zu einer sehr hohen Freifall-Endgeschwindigkeit (sog. High-Speed). Dieses gilt es jedoch einzudämmen und auf normale Geschwindigkeit (sog. Normal-Speed) abzubremsen. Grund hierfür ist, dass sich der High-Speed sehr ungünstig auf das Öffnungsverhalten des Fallschirms auswirken und dieses wiederum ggf. Schäden bei Mensch und Material verursachen kann.

Der eigens für dieses Nutzungsprofil entwickelte Drogue bedient dabei beide Phasen des Sprungs. Zunächst fungiert er als Bremsschirm, indem er nach dem PC-Wurf fest am Fallschirmsystem arretiert bleibt. Die somit übertragene Widerstands- bzw. Zugkraft auf das Gurtzeug bremst den Fall des Springers auf ein verträgliches Maß ab.

Später löst der Springer die Bremsschirm-Arretierung per Freigabegriff (sog. Release) und funktioniert damit den Bremsschirm zum Hilfsschirm um.

Die detaillierte Umsetzung der hierfür notwendigen Mechanik und auch die damit verbundenen Belastungsparameter definieren die verschiedenen Hersteller der dafür zugelassenen Systeme.

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Bild Marc Wegner

Hinsichtlich der Bedienung dieser Systeme finden sich zusätzliche Informationen in den Herstelleranweisungen und im THB Teil I der BKF.

5.3. Automatische Auslösung Hauptschirm

Die Bezeichnung „automatische Auslösung eines Fallschirms“ bezieht sich darauf, dass der Springer nur eine indirekte bis gar keine Handlung zum Öffnen des Fallschirmcontainers unternehmen muss.
Bei der automatischen Auslösung werden zudem die Variationen zur Auslösung des Haupt- und Reserveschirmes detailliert unterschieden.

Beim Springen mit automatischer Auslösung von Hauptschirmen (ugs. Automatikspringen) ist es prinzipiell üblich (bzw. für die Ausbildung von Automatikspringern sogar explizit vorgeschrieben), dass der Hauptcontainer mittels einer separaten Aufziehleine geöffnet wird.
Die Aufziehleine verschließt hierbei zunächst den Hauptcontainer des Fallschirmsystems und wird am gegenüberliegenden Ende per Aufziehhaken an einem statischen Punkt (sog. Ankerpunkt od. Ankerseil) am Absetzluftfahrzeug oder einem fixen Objekt befestigt.

Die Längenkonzeptionierung der Aufziehleine wird durch das vorliegende Anforderungsprofil bestimmt. Also wo befindet sich z.B. der Ankerpunkt im Verhältnis zur Exitposition im Verhältnis zu den Flugzeugabmessungen.

Die konkrete Auslösung des Hauptschirms erfolgt bei diesem System erst nach dem Absprung des Springers, indem sich die Aufziehleine nun vollends streckt und der Containerverschluss aufgezogen bzw. geöffnet wird. Diese Methode wird daher auch in manchen Regularien als „Zwangsauslösung“ bezeichnet.

Im weiteren Öffnungsvorgang trennt sich die Aufziehleine planmäßig vom Sprungsystem und verbleibt am Ankerpunkt. Gleichzeitig beginnt ab hier die damit freigegebene Streckung und Entfaltung des Hauptschirms für den Springer.

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Bild Olaf Haubenreißer

Beim Automatikspringen werden im Wesentlichen noch zwei Methoden unterschieden. Aufgrund ihrer technischen Umsetzung werden diese jeweils als Direct-Bag (DB) oder Pilot-Chute-Assisted (PCA) bezeichnet:

Direct-Bag: Die Aufziehleine ist mit der inneren Verpackung [3] des Fallschirms fest verbunden und zieht im Streckungsvorgang nach der Containeröffnung den Fallschirm komplett aus dem Hauptcontainer heraus. Mit vollendeter Streckung öffnet sich dann die innere Verpackung und gibt den darin befindlichen Fallschirm frei.
Zwischen der inneren Verpackung und dem Fallschirm besteht keine Verbindung. Damit öffnet sich der Fallschirm für den Springer, während die innere Verpackung getrennt am LFZ bzw. deren Ankerpunkt verbleibt. Diese Direktwirkung auf die Auslösung und die Verpackung wird als „Direct-Bag-Methode“ (DB) bezeichnet.

Pilot-Chute-Assisted: Die Aufziehleine ist nicht mit der inneren Verpackung des Fallschirms verbunden und zieht beim Streckungsvorgang lediglich die Verriegelung des Hauptcontainer am Fallschirmsystem heraus. Danach erfolgt die weitere Streckung des Fallschirms mittels Federhilfsschirm, so wie es bei einer manuellen Auslösung mit Aufziehgriff der Fall ist. Diese durch einen Hilfsschirm unterstützte automatische Auslösung des Fallschirms wird als „Pilot-Chute-Assisted-Methode“ (PCA) bezeichnet.

Zur Vervollständigung sind noch die verschiedenen Verschlussmöglichkeiten des Hauptcontainers durch die Aufziehleine zu erwähnen. Hier kann ein Verschluss-Pin, ein Verschluss-Kabel (sog. Flex-Pin) oder gar ein Sollbruchband (eher nur beim Militär zu finden) zum Einsatz kommen. Details klärt das jeweilige Hersteller-Handbuch zum Gurtzeug.

[3] Entweder Packtasche (sog. POD, Parachute Opening Device), Packsack oder Packschlauch
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Darüber hinaus müssen die eingesetzten Aufziehleinen den einschlägigen technischen Material- und Bruchlast-Vorgaben entsprechen und werden i.d.R. a) durch die Hersteller zum jeweiligen Sprungsystem mitgeliefert und/oder b) schon bei der Herstellung an den verwendeten Luftfahrzeugtyp in der gewünschten Arbeitslänge angepasst.

5.4. Automatische Auslösung Reserveschirm

Auch für Reserveschirme gibt es Formen der automatischen Auslösung. Hier kommen generell zwei völlig unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht.

Zum einen kann es eine Verbindung zwischen dem Hauptschirm und dem Reservegriff geben, so dass beim Abtrennen des Hauptschirms eine Ziehunterstützung zum Reservegriff möglich wird. Diese Möglichkeit nennt sich aus dem englischen übernommen „Reserve-Static-Line“, auch kurz RSL genannt. Mehr dazu unter dem betreffenden Abschnitt.
Zum anderen kann es eine automatische Reserveauslösung per Öffnungsautomat geben. Mehr dazu im Abschnitt Öffnungsautomat.

6. Backup-Systeme zur Reservefallschirmauslösung

6.1. RSL

Bei einer RSL handelt es sich um eine flexible Verbindung (i.d.R. ein gewebtes Gurtband) zwischen Hauptschirm und Reservegriff. Die Verbindungseinheit entsteht am einen Ende der RSL durch einen Schnellverschlussschäkel, welcher am Tragegurt des Hauptfallschirms befestigt wird. Am anderen Ende befindet sich ein Ring, durch den im fertig montierten Zustand das Reservegriffkabel geführt wird. Die Verbindungsleine verläuft damit zwischen diesen beiden Punkten mit einer vom Hersteller definierten Verlegung am Gurtzeug bzw. Containersystem entlang.

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Die RSL ist technisch gesprochen passiv und wird nur „für den Fall“ mitgeführt. In der Regel ist sie für den Benutzer bedienungsfrei und muss nur vor jedem Sprung auf korrekten Sitz überprüft werden.
Aktiv wird die Verbindung hingegen immer dann, wenn ein Hauptschirm abgetrennt wird und dieser sich dadurch vom Springer entfernt.

Bei der Separation des Hauptschirms wird die RSL vom jeweiligen Tragegurt mitgenommen und bringt somit ausreichend Zug auf das Reservegriffkabel. In Folge dessen wird der Reserve-Pin gezogen. Die RSL löst sich daraufhin unmittelbar vom jetzt frei gegebenen Reservegriffkabel ab und separiert weiter mit dem Hauptschirm. Zur selben Zeit springt der Federhilfsschirm des Reserveschirms aus dem Reservecontainer und leitet damit die Reserveschirmstreckung ein.

In Echtzeit vollzieht sich der Vorgang einer normalen RSL-Auslösung derweil binnen eines Bruchteils einer Sekunde. Hierzu muss gesagt werden, dass eine RSL allerdings nur dann wirksam ist, wenn a) sie am Verbindungsschäkel zum Hauptschirm eingehängt ist und b) der mit ihr verbundene Hauptschirmtragegurt nach einem Abtrennen auch tatsächlich weg fliegt, was wiederum nicht bei allen Öffnungsstörungsszenarien der Fall ist. Mehr dazu im AHB Teil I der BKF.

Warum der RSL-Verbindungsschäkel zum Haupttragegurt lösbar konstruiert ist, liegt derweil an den verschiedenen Szenarien, zu denen trotz Abtrennen des Hauptschirms ein Öffnen des Reservecontainers nicht gewünscht wird. Beispiele dazu sind Wasserlandungsszenarien oder das Beenden eines Schleifens am Boden durch den Hauptschirm bei viel Wind. Hier muss der Springer ganz bewusst die RSL lösen können bevor er den Hauptschirm abtrennt. Einzelheiten dazu benennt das AHB Teil I der BKF.

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Die Lösbarkeit des RSL-Schäkels stellt sich im Alltag jedoch auch als Dynamikquelle dar. Die Verbindung könnte sich bspw. durch eine Außeneinwirkung im Sprung versehentlich öffnen und in Folge dessen zu einer Nichtfunktion der RSL führen. Oder der Nutzer entscheidet sich aus irgendeinem Grund die RSL zu einem Zeitpunkt X manuell zu deaktivieren, weil es die Situation verlangt. So wie bspw. zu Kappenformationssprüngen oder kurz vor einer Starkwindlandung aus Präventionsgründen.

In jedem Fall ist bei diesen Situationen die RSL trotz Installation am Gurtzeug nicht wirksam.

Es gilt also den Zustand der RSL immer wieder zu kontrollieren, wenn man von deren Eigenschaften profitieren möchte.
Gerade darum hat eine RSL auch keinen Alleinstellungscharakter, sondern wird lediglich als Backup-System betrachtet, welches den Springer in bestimmten Fällen beim Ziehen der Reserve unterstützen kann. Eine 100% verlässliche Garantie zur Funktion besteht dabei aber nie.

Ungeachtet dessen zieht eine voll funktionsfähige RSL den Reservegriff in nahezu allen zutreffenden Fällen schneller als es ein Mensch in seiner Reaktionszeit jemals bewerkstelligen könnte. Dies macht speziell den Einsatz einer RSL als besagtes Backup-System im Sport sinnvoll. Für Schüler- und Tandemsysteme ist eine RSL gar Pflicht, auch wenn unabhängig davon jeder Springer jederzeit seinen Reservegriff selbst ziehen kann.

6.2. RSL mit MARD System

Als MARD (Main-Assisted-Reserve-Deployment) System wird eine fortführende Verbindung der RSL zur Hilfsschirmverbindungsleine (sog. Bridle) des Reserveschirms bezeichnet.

Eine RSL mit MARD Funktion löst sich somit nicht sofort vom Sprungsystem, nachdem der Reserve-Pin gezogen ist. Stattdessen hilft die weiterführende Verbindung zur Reserve-Bridle mit, diese mitsamt dem Freebag weiter aus der Verpackung zu ziehen. Sind hierbei dann im Bruchteil einer Sekunde die Fangleinen des Reserveschirms vollends gestreckt, separiert das MARD System mit dem Freebag von der Reservekappe.

Die MARD Beispielabbildung unten zeigt ein sogenanntes „Skyhook™-System“. Wird hier die Reserve bspw. manuell gezogen, zieht der Hilfsschirm die Reserve aus dem Container. In diesem Falle löst sich die MARD Verbindung am Verbindungshaken planmäßig durch einfaches Abstreifen.

Zieht jedoch die RSL die Reserve auf, so bleibt der Verbindungshaken parallel zum Reserve-Hilfsschirm aktiv und hilft mit, das Freebag aus dem Container zu ziehen. Ein MARD System ist derweil im funktionalen Falle äußerst effizient.

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7. Details zum Reservesystem

7.1. Funktionszusammenhänge RSL-MARD-Reservehilfsschirm

Wie in den Abschnitten RSL bzw. RSL mit MARD bereits beschrieben ist auch ein MARD System nur dann wirksam, wenn eine RSL wirksam ist. Somit ist auch ein MARD System als ein nicht zu 100% verlässliches Backup-System zu betrachten.

Umgekehrt muss es für den Springer jederzeit möglich sein, auch abseits der RSL Funktion seinen Reserveschirm zu aktivieren. Letzteres ist der Fall, indem zum einen der Reservegriff (im Bild rechts rot nachgezeichnete Linie) immer unabhängig zu einem RSL-Status gezogen werden kann und zum anderen es keine fixe Verbindung zwischen dem Reservehilfsschim und dem MARD System gibt. Technische Lösungen obliegen hier den Herstellern mit recht unterschiedlichen Herangehensweisen (Beispielbild siehe unten).

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7.2. Öffnungsautomat

Zur automatischen Auslösung eines Reserveschirms kommt, abseits der davon unabhängigen RSL- bzw. MARD- Möglichkeit, überwiegend der Sicherheits-Öffnungsautomat (sog. AAD, Automatic Activation Device) zum Einsatz.

Ein solches AAD soll dabei immer dann auslösen, wenn die vorbestimmten Bedingungen dafür gegeben sind. Die Parameter, die den Auslösekriterien zugrunde liegen, bestimmt der Hersteller, wobei dem Nutzer womöglich unterschiedliche Einstellungsmöglich-keiten bleiben.

Heutzutage gibt es überwiegend elektronische Öffnungsautomaten, die computergesteuert funktionieren und im Falle über einen Schneidemechanismus (sog. Cutter) den Verschlussloop des Reservecontainers durchtrennen. Der Cutter gleicht dabei einer zylindrischen Patrone, durch welche eine Bohrung für den Verschlussloop führt. In der Patrone befindet sich eine Mikro-Treibladung, die im Zündfalle einen Keil innerhalb der Cutter-Hülse bewegt und somit den Loop durchtrennt, was wiederum den Reservecontainer öffnet.

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Bild Airtec GmbH & Co. KG Safety Systems

Parallel gibt es noch AAD Systeme, die mechanisch auf den Verschlussstift wirken und diesen bei Auslösung schlichtweg nur heraus ziehen.

Diese Form der AAD Technik basiert auf mechanischer Umsetzung bzw. Druckdosen-Luftdruckmessung.

Dies kann mitunter hohe Toleranzen aufweisen und ist deshalb im Sportbereich auch nur noch sehr selten anzutreffen.

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Bild Internet- Open Source

8. Wartung

Prinzipiell ist ein Fallschirmsystem ein Verkehrsmittel, welches diversen Vorschriften zum Betrieb (Zulassung, Versicherung, Wartung, etc.) unterliegt. Unter anderem darf die technische Betreuung und Instandhaltung nur von dafür geeignetem Personal durchgeführt werden.

Wer als geeignet und zulässig gilt, regelt der Hersteller, welcher wiederum nationale Eigenheiten unterschiedlicher Fallschirmsportverbände dafür akzeptieren kann. In Deutschland entspricht damit die Position eines Fallschirmtechnikers (FT) die dem internationalen „Master Rigger“ und die des Fallschirmwarts (FW) einem „Senior Rigger“.

Darüber hinaus darf nach deutschem Recht nur lufttüchtig geprüftes Sprungmaterial zum Einsatz kommen. Die generelle Verantwortung, dass ein Fallschirmsystem zum Betrieb lufttüchtig ist, liegt beim Halter.

Klar hervorzuheben ist, dass nur die Qualifikation Hersteller, FT oder FW dazu berechtigt, Luftsportgeräte für lufttüchtig zu erklären und Lufttüchtigkeitsnachweise auszustellen. Gleichzeitig dürfen Reservefallschirme nur durch den Hersteller oder FT/FW für den jeweils vorgesehenen Packzyklus (gemäß Herstelleranweisung pro Baugruppe – in vielen Fällen bis zu 365 Tage oder nach Benutzung) gepackt werden.

Im Vergleich hierzu dürfen Hauptschirme jederzeit vom Springer selbst oder durch einen Erfüllungsgehilfen (sog. Packer) in dessen Auftrag luftfahrttauglich gepackt werden. Hierfür genügt auf Seiten des Packers ferner die Einweisung auf das betreffende Baumuster bzw. Luftsportgerät. Im internationalen Vergleich entspricht der Packer dabei dem Status des „Junior Rigger“.

Eine grundlegende Vorstellung, wie der Hauptschirm zu packen ist, äußert der Hersteller. In Anlehnung an diese Vorgaben entscheiden in der Praxis zusätzlich noch die Erfahrung(en) und Handfertigkeiten sowie die persönlichen Präferenzen über die Feinheiten jedes Packvorgangs.

Ziel jeder Packung bleibt unbedingt, immer wieder eine einwandfreie Fallschirmöffnung in angemessener Öffnungsgeschwindigkeit zu erreichen, um anschließend erfolgreich landen zu können.

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Bild TAKE OFF Fallschirmsport

9. Sonderbetrachtungen

9.1. Dual- und Singlecontainer

Fallschirmsysteme können im Gebrauch als Dual- oder Single-Container auftreten. Von einem Dualcontainer spricht man, wenn Haupt- und Reserveschirm auf dem Rücken übereinander angeordnet sind. Aus technischen Gründen, u.a. auch in Verbindung mit Fehlöffnungsszenarien, ist der Hauptschirm immer unten und der Reserveschirm immer oben angebracht.

Von einem Single-Container wird gesprochen, wenn nur ein Schirm auf dem Rücken angeordnet ist. Beim Rundkappen- oder Objektspringen ist dies dann ausschließlich der Hauptschirm, während es bei einem Rettungssystem für einen Piloten ganz klar ein Rettungsschirm ist, welcher hier auch oft als Sitzfallschirm verarbeitet vorkommt.

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Wird ein Single-Container zum Sportspringen benutzt, muss gleichzeitig (bis auf wenige Ausnahmen) ein davon unabhängiger Reserveschirm (z.B. Brustreserve) mitgeführt werden.

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9.2. Brustreserve

Als Brust- oder Bauchreserve wird ein eigenständiges Reservecontainersystem inklusive Reserveschirm bezeichnet. Dieses wird über lasttragende Verbindungen am eigentlichen Hauptgurtzeug an den dafür vorgesehen Stellen befestigt. Die Verbindung entsteht i.d.R. über Karabinerhaken und Fixierschlaufen.

Aufgabe der Brustreserve ist es, dem Springer eine unabhängige Reservemöglichkeit zu geben, sollte sein Hauptschirm nicht funktionieren.

Inwieweit die Brustreserve unter welchen Parametern eingesetzt werden kann, bestimmt der Hersteller. Die Bedienung obliegt der Erfahrungsentscheidung des Springers.

Brustreserven werden nicht selten auch als Drittschirm an Dualcontainern angebracht, falls diese bspw. zur Testung von Schirm- oder Funktions-Eigenschaften herangezogen werden. Somit hat der Springer am Ende immer noch ein völlig unabhängiges Backup-System, sollte sich ein Test möglicherweise in ein „Worst-Case-Szenario“, wie bspw. eine Haupt- und Reserveschirmverknotung, entwickeln.

Brustreserven beinhalten zudem nur Rundkappen, die im Zweifel auch einfach nur als „letzte Möglichkeit“ der Fallgeschwindigkeitsreduzierung und ohne weitere Vorhandlung als „Speedbrake“ dazu gezogen werden können.

Beim militärischen Rundkappenspringen ist das Dazu-Ziehen der Rundkappenreserve bei einer Hauptschirmfehlentfaltung, ohne vorheriges Abtrennen des Hauptschirms, gar der Normalfall.

BRUSTRESERVE

10. Verweise

10.1. Beauftragte des BMVI: DAeC und DFV e.V.

  • Verwaltung von Handbüchern zum Fallschirmsport
  • Publikation einschlägiger Regelungen und Verfahrensweisen
  • Wissenssammlungen weitreichender Art zum Fallschirmsport

10.2. Ausbildungshandbuch (AHB) Teil I der BKF, u.a.

  • Module 5-7: Grundausbildung von Fallschirmspringern
  • Modul 5 (10): Verhalten in besonderen Fällen (VibF)
  • Modul 7: Kappenflugschulung
  • Modul 8: Befähigungen & Disziplinen

10.3. Private Sammlungen, u.a.

  • etliche Privatpersonen haben für die Aus- und Fortbildung von Fallschirmspringern eigenes Wissen archiviert und/oder publiziert
    1. Aerodynamik, Flugmechanik und Flugverhalten des Flächenfallschirms
    2. Flugplanung zur Landung von Flächenfallschirmen
    3. Kappenflugseminare von „Canopy-Safety-Instructions” zu “High-Performance-Landungen” bis „Canopy-Piloting-Wettkampftraining”
    4. Wahl der richtigen Fallschirmgröße
    5. Wingloadbetrachtungen (Flächenbelastungstabellen in Zahlen bzw. Schirmgrößen)
    6. Coaching von Freifallfertigkeiten
    7. Betrachtungen zum relativen Wind beim Absprung aus einem LFZ
    8. Handbücher des Vereins Deutscher Objektspringer (VDO) e.V.
  • Stressforschung zum Fehlverhalten in Extremsituationen mit Handlungsempfehlungen im Sinne der Vermeidung
    1. Literatur (bspw. Prof. Dr. Dietrich Ungerer: ISBN 3-929792-04-4)
    2. Sicherheitsschulung(en)
    3. Trainingsmöglichkeiten und positive Selbst-Konditionierung
  • Herstellerinformationen bzw. Gebrauchsanweisungen unterschiedlichster Art zu den betreffenden Produkten wie:
    1. Gurtzeug(e)
    2. Haupt- und Reserve-Fallschirm(e)
    3. Öffnungsautomaten
    4. Zusatzausrüstung (bspw. Helm, Höhenmesser, Höhenwarner, usw.)
    5. Accessoires (bspw. Brille, Visier, Datenlogger, etc.)
    6. Spezialbekleidung (bspw. Wingsuit, Tracksuit)
  • Umgang mit Sonderequipment
    1. Kamera-, Höhen-, Nacht- oder Wassersprünge
    2. Showsprünge zu verschiedensten AnlässenÖffnungsautomaten inklusive Showmaterialien wie Rauchkörper, Fahnen, etc.